Der Kurs für Exerzitienbegleiter
in St. Beuno's, Wales:
Auf der Suche nach "der großen Stille" ...

Gemeinsam mit 9 anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern hatte ich von Mai bis Mitte Juli die Gelegenheit, am Kurs für Exerzitienbegleiter teilzunehmen und geistliche Begleitung einzuüben.

Wir waren eine sehr internationale Gruppe von Schwestern und Priestern (2 weitere Jesuiten) und einer Laienmissionarin aus diesen Ländern: Nigeria, Korea, Polen, Philippinen, Australien, Wales, Irland, Indien, Deutschland.

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St. Beuno's, das alte Jesuitentheologat (dann Terziat, dann Zentrum für ignatianische Exerzitien) von 1850 ist nahe der Ortschaft St. Asaph in die walisischen Berge gebaut, mit weiter Sicht über das Land und bis zur Küste hin, bei gutem Wetter.
Im Westen die Gebirge des Naturparks Snowdonia und die Verbindung zur Fähre zum übersetzen nach Dublin. Grünes Land, durch natürliche Hecken umgeben, mit grasenden Schafen und Kühen ... und dem dazu notwendigen Regen. Ein kleiner Garten Eden, mit der Gelegenheit zum Beten in der Natur.

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Um das Haus terrassenförmige Gärten, dann Weideland. Im Haus einladende Orte zum Beten: die "Kapelle im Wald" mit Anbetungsmöglichkeit, die Kollegskapelle, und in kurzer Entfernung vom Haus auch die Felsenkapelle, einst von Scholastikern gebaut.

Die Kommunität von St. Beuno's besteht aus einem jüngeren Jesuiten, der leitet, und 5 über 70-jährigen Mitbrüdern, die Exerzitien geben, Supervision anbieten und den Liturgien vorstehen. 2 Dominikanerinnen (davon eine deutsche, von den "Strahlfeldern") und 8 - 10 Frauen und Männer, die auch ignatianische Exerzitien geben und dafür angestellt sind, bilden das Team. Zwei von ihnen gehören nicht der katholischen Kirche an.

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Überhaupt weht ein großer Geist der Ökumene und des Miteinanders in St. Beuno's: wenngleich wohl der größere Prozentsatz der Exerzitanten katholisch ist, so machen dort auch Anglikaner, Methodisten und Baptisten ignatianische Exerzitien. Und sehr viel "suchende" Menschen. Doch davon später.

Bischöfe, katholische und anglikanische kommen inkognito und machen Exerzitien. Frauen, die in der nächsten Woche zu anglikanischen Priesterinnen geweiht werden, kommen auch zu ihren Weiheexerzitien.

Zunächst einmal sind wir alle Christen. Das Buch mit den Kirchenhymnen ist ja schon eine Sammlung geistlicher Lieder aus allen Traditionen: so kann es vorkommen, dass in ein und derselben Liturgie eine Hymne von John Wesley, dem Vater der Methodisten gesungen wird, und eine andere, die von den St. Louis Jesuiten stammt.

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Alle Exerzitienleiter und Leiterinnen werden dazu ausgebildet, zu Beginn der heiligen Messe die Einführung in die Lesung und in das Evangelium machen zu können. Für uns Priester ist das nichts Neues, aber für die Anderen ...?

Unsere theoretische Ausbildung -mit Themen wie: Theologie der Exerzitien; Geistliche Begleitung; Gender, Spiritualität und Sexualität; Beten mit Kunst; Trauer und Verlust; Kunst und Mystik; Hinhören und Begleiten- wurde zum Teil mit eigens eingeladenen Referenten und Referentinnen durchgeführt.

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Was die Praxis betrifft, so begannen wir damit, dass wir einem Mitbruder halfen, der in Pfarreien eine Woche des ignatianischen Betenlernens anbietet. Sehr einfache Leute kommen, im ländlichen Wales; auch immer solche aus anderen christlichen Traditionen.

Eine Woche lang werden diese Menschen individuell begleitet und in unsere Art des Betens eingeführt: Schriftbetrachtung; Examen; Lectio Divina usw. Wir machen sozusagen eine Art geistliche Begleitung. Dazu gibt es auch einfache Begleitmaterialien.

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Die zweite Erfahrung war, dass wir uns gegenseitig in dreitägigen Exerzitien begleiteten. Gegenseitig, aber nicht wechselseitig. Auch hier: sorgfältiges Begleiten und Supervision von einem Mitglied des Teams.

Durch das Ausfallen eines Referenten, der wegen Visumsschwierigkeiten nicht reisen konnte, kamen die von uns, die es sich zutrauten, sehr schnell an die Begleitung eines Exerzitanten für 5 Tage. Sehr kompetente tägliche Begleitung und Supervision durch jemanden vom Team von St. Beuno's sorgte dafür, dass das eine gute Erfahrung wurde.
Etwas später begleitete ich 3 Menschen bei 6 tägigen und wiederum später 4 bei 8 tägigen Exerzitien; jeweils gut und täglich supervisiert von einer Schwester oder von einem Mitbruder, die durch ihre große Erfahrung und Hilfsbereitschaft beeindruckten.

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Das Haus, mit seinem etwas altertümlichen Charme (und der Erinnerung an Gerald Manley Hopkins, der seine besten Gedichte in seiner Zeit dort im Theologat schrieb) lädt überall zu Stille ein. Es gibt auch "stille Korridore", Musik beim Essen und immer wieder die Einladung, zur Ruhe und Stille und zu Gott zu kommen.

Schwester Renate, die deutsche Strahlfelder Dominikanerin und Kunstlehrerin, ermutigt, in einem kleinen Atelier sich selber mit Kunst zu befassen und auszusagen, sei es durch Tonmodellieren oder Farbe, Materialien oder Collagen oder ... Oder auch nur das Anschauen von Kunst, durch die Zeiten und auch moderne. Sieger Köder, präsent in Bildern, Postern und Postkarten, spricht viele an.

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Zum Schluss die "Gründungsgeschichte" des gegenwärtigen Aufbruchs in St. Beuno's, wenn man es so nennen kann:
Vor einem Jahr lief im BBC 2 Fernsehen die Sendung "The Big Silence" (= Die große Stille; nicht zu verwechseln mit dem Film über die französischen Trappisten!).
5 gewöhnliche Menschen machten sich mit dem Benediktinerabt der Worth Abbey auf die Suche nach mehr Stille und mehr Tiefe im Leben. Jeder der 5 sollte täglich 30 Minuten Stille leben. Ein Wochenende im Kloster, dann zurück in den Alltag, dann eine Woche Exerzitien in St. Beuno's und die Kämpfe, Siege und Niederlagen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer: alles -sehr spannend!- wurde in 3 x 1 Stunde zur besten Sendezeit im BBC gesendet.

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Seither bricht die Anfrage nach Tagen der Stille und nach Exerzitien in Großbritannien nicht ab. So viele suchende Menschen (oft mit wenig oder gar keinem kirchlichen Hintergrund) wollen mehr Sinn finden, mehr zu sich selbst kommen, mehr Stille ...
St. Beuno's und andere Exerzitienzentren "boomen", könnte man sagen. Also: keine Kirchenkrise in Großbritannien? Ein Mitbruder drückte das so aus: in einer Zeit, wo vieles Institutionelle in der Kirche in Frage gestellt wird und -vielleicht notwendig- "bröckelt", da kommt es besonders darauf an, die Einzelne und den Einzelnen zu stärken, in der Verbindung und Freundschaft zu Christus ...

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Eines habe ich erkannt: dass es sehr fordernd aber auch lohnend ist, sich mit den Gott suchenden Menschen zu beschäftigen und sie ein Stück weiter zu begleiten. Sehr viel Fantasie, Einfühlungsgabe und viel Wehen des Geistes sind dazu unbedingt notwendig.

Ich bin sehr dankbar für diese Zeit des Einübens und Begleitens in Wales.

P. Wolf Z. Schmidt S. J.

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