Predigt 2. So. der Osterzeit (Joh. 20:19 - 31)

Die armen Jünger

Die armen Jünger!

Mit diesem Auferstandenen Jesus sind sie hoffnungslos überfordert!

Wir vielleicht auch?

Doch langsam, eines nach dem anderen.

Was ist es denn mit diesem Jesus, der Christus, der Verherrlichte? Was ist denn da so anders?

Nun, zuerst einmal: während die Jünger, wir, auf Abgrenzung und Sicherheit bedacht sind, unsere Sicherheit!

Da tritt Jesus ganz frei in unsere Burg, kommt hinter unsere Kulissen, bricht in unser Leben ein, das individuelle Leben und das gemeinschaftliche Leben seiner Jünger.

Jesus steht vor uns, seiner KIRCHE, seiner Gemeinschaft, ebenso plötzlich wie -tja, wirklich?-

unerwartet. Was soll das denn? DU? HIER?

Zweite Frage: bist DU es überhaupt? Ja?

Er zeigt uns die Foltermale: durchbohrte Hände (die gab es oft!) aber dann, die Seitenwunde.

Nur Jesus wurde die Lanze in die Seite gestoßen; ein coup de grace; ein sich Versichern, dass er nun wirklich tot war. Tot?

DU bist es also. Und DU lebst.

Und dann: FRIEDE SEI MIT EUCH, immer wieder.

Alles haben wir doch, nur das nicht: Friede! In der Sonntags FAZ ein Bericht eines ethnologisch arbeitenden Mitbruders bei den Indianern, den stolzen Irokesen, im 17. Jahrhundert. Die Strichzeichnung einer gefolterten Frau, sie war gefangen genommen worden im Krieg. Zähne und Körpernägel herausgerissen, langsam. Gebraten und gegessen, von den Siegern und von den Hunden; so ganz genau spielt das auch keine Rolle.


Nagelwunden in den Händen, amputierte Beine, Löcher im Herzen, Blut... Nur im 17. Jahrhundert? Nur bei Jesus am Kreuz?

Und heute in Syrien, im Kongo, in Nordkorea, in Folterzentren jeder Diktatur und im Water boarding der westlichen angeblich guten Soldaten??? Unser Herr steht in unserer Mitte und wir erkennen ihn an den Foltermerkmalen, heute.

Und wir? Verschlossene Türen, verschlossene Länder, Ausweisung von Asylsuchenden; ohne Papiere und "illegal" steht ein geschundener Jesus unter uns. Rührt es uns noch an?

Rührt ER uns noch an?

Es traf sie bis ins Herz, dass gerade Jesus das wünscht: FRIEDE SEI MIT EUCH!

Ein so wichtiges Wort, dass der Friedensgruß liturgisch in das Zentrum der Feier der Heiligen Messe gerückt ist: FRIEDE!

Ohne Frieden miteinander zu machen, können wir nicht eins sein, können wir keine Gemeinschaft sein, können wir auch nicht vom gleichen Brot essen und aus dem selben Kelch trinken! Wir hier. In dieser Kirche. In dieser Stadt, nein! Auf der ganzen Welt!

Mit allen unseren Schwestern und Brüdern; mit der ganzen Menschheitsfamilie!!!


BEGREIFEN MÖCHTEN WIR IHN. Wie Thomas.

Begreift mich im Leid, sagt Jesus. Begreift, wie ich ein Leidender bin, in den vielen Hundert Frauen und Männern und Kindern. Jung und alt.

Ja kommt doch her und begreift mich; dann könnt ihr mich wirklich erkennen!

Eine Frau, die selber spirituell durch viele Dunkel geschritten ist, von einer Nacht in die nächste, so beschreibt sie es in ihrem Tagebuch, ist Mutter Teresa.

Die Mutter Teresa, die kleine, hagere, albanische Ordensschwester, die solche provozierenden Dinge sagte (und ich wunderte mich, diese Sätze auf einer Briefmarke wiederzufinden):

"Die Armen wurden nicht von Gott geschaffen.
Die haben wir hervorgebracht.
Ich und du mit unserem Egoismus!"

Vergiss die Armen nicht. Und die Leidenden. Und die Heimatlosen, die flüchten mussten.

Debattiert nicht darüber, ein weiteres Dutzend in euer Wohlstandsgefängnis aufzunehmen,

in eure geschlossene Gesellschaft!

ER könnte es wieder so tun. Plötzlich blutig und geschlagen und gefoltert in unserer Mitte stehen, wo wir es nicht erwarteten.

Und dann?

Nehmen wir ihn auf? Nehmen wir sie auf?

Nur dann werden wir mit ihm auferstehen können; trotz Mord und Totschlag, Hungermärsche, Genozid und Wegschauen.

DER FRIEDE SEI MIT EUCH:

ER haucht uns an. Ein Hauch des Todes, aus dem er kommt,

und ein Hauch des Neuen Lebens, des Lebens in der Herrlichkeit Gottes!

Wir sind durch ihn eine Neuschöpfung.

So, wie der Schöpfer seinen Erdlingen im Buch Genesis den Lebensatem in die Lungen einhaucht,

so haucht der Auferstandene Christus seinen neuen Atem in unsere alte Welt, in unser altes, obskures Leben, das immer noch gefangen ist von Leid und Tod und vielen Schatten und Traurigkeiten. Von Bosheit, ja, auch.

Mit seinem Lebensatem, in seinem Geist, werden wir stark und weise und gut und barmherzig.

Wir lernen, zu vergeben.

Uns selber und anderen.

Und Gott, wenn wir glauben, dass uns das Leben übel mitgespielt hat.

DER FRIEDE SEI MIT UNS. HEUTE. JEDE STUNDE. UND MORGEN. AH, UND IMMER. UNSER GANZES LEBEN, in seiner Gnade, Jesus! AMEN.