DIE FREMDEN - DER FREMDE

Eines vorab: terroristische Attentäter, gleich welcher politischer Überzeugung, sind Kriminelle und verdienen es, für ihre Untaten bestraft zu werden.

Wir haben die Worte aus dem prophetischen Buch Jesaja 56, 6 - 7 gehört:

DIE FREMDEN - DIE AUSLÄNDER - DIE EINHEIMISCHEN - DIE HEIMAT

Wie beeinflussen diese Begriffe unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit? Gibt es schon Vorurteile und eine Entfremdung vom Nächsten durch die Sprache?

Das Erlanger Poetenfest diskutiert gerade über den Begriff HEIMAT. Der Publizist Christian Schüle fragt im Vorwort seines Buches: "Heimat - ein Phantomschmerz":

  • Verstehen wir unter Heimat notwendig eine territorial definierte Gebietskörperschaft?
  • Oder Menschen, die uns nahe sind?
  • Oder eine Familie?
  • Die Sprachgemeinschaft? Die Protestgruppe?
  • Die Sharing-Community? Das Netzwerk?

Und was wäre die Basis einer, unserer Heimat: die gemeinsame Ethnie? Die einheitliche Religion? Der Interessenverbund?

Der dialektische Gegenbegriff zu HEIMAT ist die FREMDE. In der Heimat erwarte ich Bekanntes und Vertrautes.
"My home is my castle"
"Mein Zuhause meine Kraftquelle/meine Verteidigungsbasis"

Auf FREMDES kann ich mit Angst, Abwehr oder Agressivität reagieren
oder auch
mit Interesse, Zugewandtheit und Sehnsucht
(wir sind alle auf der Suche nach dem verlorengegangenen Paradies!).

Die menschliche Grunderfahrung beinhaltet beides: die Erfahrung von Vertrautem und von Fremden.

Eine gute und grundlegende Erfahrung ist es, einmal eine Zeit lang in einer fremden Kultur zu leben. Wirklich zu leben, nicht nur zu besuchen, wie Touristen das tun. Dann lerne ich das menschliche Umgehen miteinander möglicherweise noch einmal neu.

Im Buch und im Film DER ENGLISCHE PATIENT stürzt ein ungarischer Wissenschaftler im 2. Weltkrieg über der nordafrikanischen Wüste ab und erleidet lebensbedrohliche Verbrennungen. Eine Gruppe von Nomaden in der Wüste entdeckt ihn, behandelt ihn sorgsam mit ihren Medizinen über Wochen hinweg und rettet ihm so das Leben. Das finden wir spontan gut. Und wenn ein überladenes Schlauchboot mit Flüchtlingen im Mittelmeer zu versinken droht??? Zücken wir das Handy, um zu filmen; anstatt den Menschen zu helfen???

In der NS-Zeit wurden Juden und Sinti-Roma zu "Fremdvölkischen" oder zu "Artfremden" erklärt.

Für uns Christen gibt es das aber nicht. Es gibt keine Einteilung in FREMD MENSCHEN und MIT MENSCHEN. Unser Respekt und unsere Achtung sind gleich groß; ob es Christen oder Nichtchristen sind. "Und wenn ihr nur eure Schwestern und Brüder grüßt, was tut ihr damit Besonderes?", fragt uns Jesus, "Tun das nicht auch die Heiden?" (Matthäus 5, 47). Evangelische oder Katholische oder Orthodoxe; Christen oder Moslems. Arier oder Nichtarier. Es sind immer: MENSCHEN, Geschöpfe Gottes!

Und "unser" Jesus, geboren in Bethlehem; ein Jude von Geburt und von der Abstammung und ganz sicherlich von der Kultur und vom Glauben. Wenn wir diesen Jesus nicht einfach "umerklären" und zum Deutschen machen (die Nazis haben das versucht und sich damit lächerlich gemacht), dann muss uns dieser Jesus auch immer etwas fremd bleiben, einem orientalischen Kulturkreis zugehörig; vieles aus der jüdischen Kultur und vom Glauben muss uns Christen immer wieder nahegebracht und "erklärt" werden, damit wir Jesus verstehen. Und viele Sätze, Gebote und Verbote des jüdischen Gesetzes, der Thorah. Und dass das Fest des Hindurchzugs durch das Rote Meer nicht PASCHA sondern Pessach heißt... und was es bedeutet. Wie viel lernen wir doch von einem kulturell eher fremden Jesus!!

Der Titel eines Buches warnt uns:

Die Wissenschaft vom Fremden und die Verdrängung der Humanität
von Munasu Duala-M'bedy.

Sind wir nicht zuerst einmal MENSCHEN?
MENSCHEN, die es immer verdienen, von anderen mit MENSCHLICHKEIT behandelt zu werden?

Ein Beispiel dafür gibt uns Uganda, 34 Millionen Menschen Staat in Ostafrika. Das Land ist beispielhaft in Sachen Flüchtlingspolitik. Neuankömmlinge können sich im Land frei bewegen und arbeiten - und bekommen Land, um sich niederzulassen und etwas anzupflanzen. Davon profitieren auch die Einheimischen. Etwa 1 Million Frauen und Kinder sind aus dem Südsudan nach Uganda geflohen.

Sie hatten dort Schlimmes erlebt: Zivilisten wurden vor den Augen ihrer Angehörigen getötet; Frauen und Mädchen vergewaltigt und Jungen entführt und zum Waffendienst gezwungen.

In Norden Ugandas wird versucht, diese Menschen nicht in Flüchtlingscamps unterzubringen, sondern sie in den schon bestehenden Dörfern zu integrieren. Das ist ein beispielhafter Umgang mit DEM FREMDEN; ja, MIT DEN FREMDEN.

Ein Soziologe (Zygmunt Bauman) schreibt skeptisch: "Fremde" bedeutet das Fehlen von Klarheit; man kann sich nicht sicher sein, was sie tun werden; wie sie auf die eigenen Handlungen reagieren würden; man kann dann nicht sagen, ob sie Freunde oder Feinde sind. Und daher kann man nicht umhin, sie mit Argwohn zu beobachten.

Diejenigen, die Jesus nachfolgen, müssten dann doch besser vom Anderen denken und mehr wagen, so, wie Jesus es auch tat. AMEN.

Wolf Z. Schmidt S. J.