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20. Sonntag im Jahreskreis
Jeremia 38,4 - 6 und 8 - 10
Lukas 12, 49 - 53

Schwestern und Brüder,

lassen Sie uns für eine kleine Weile nach ALEPPO gehen, in die syrische Großstadt, die 2008 noch 1,7 Millionen Einwohner zählte. Wegen des Krieges sind inzwischen viele umgekommen oder auch geflohen; derzeit schätzt man, dass sich noch über 300.000 Menschen in der bombardierten Stadt, die weitgehend zertrümmert ist, aufhalten.

Um den Namen der Stadt rankt sich eine Legende. "Aleppo" bedeutet "Abraham melkte seine Kuh asch-schabah und gab die Milch den Armen". "Er melkte" = Aleppo.

Der Held von Aleppo ist gerade selber im Krieg umgekommen; getroffen von einer Fassbombe. Er heißt Khaled Omar Harrah und wurde knapp 30 Jahre alt.
Er war kein Kämpfer. Und doch war er ein Held! Vor 2 Jahren war er es, der nach der Bombardierung eines 3-stöckigen Hauses stundenlang grub, weil eine Mutter verzweifelt in den Trümmern nach ihrem 10 Tage alten Baby suchte. Sie war verzweifelt und weinte; sie hatte nur ihren ersten Sohn, 8 Jahre alt, retten können. Als die, die gruben, nach Stunden vor Erschöpfung schon aufgeben wollten, hörten sie das schwache Wimmern von einem Baby; mitten aus dem Betonchaos des bombardierten Hauses. Die Mutter war überglücklich, als sie schließlich ihr Baby, aus den Trümmern unversehrt, wieder in die Arme nehmen konnte. "Gott ist groß", riefen die umstehenden Menschen in großer Freude und Erleichterung!

Unserem Propheten Jeremiah wird es auch leichter um's Herz geworden sein, als man ihn aus dem Brunnen, aus dem Schlamm und dem sicheren Tod rettete. Und das auf die Fürsprache eines Fremden! Ein wenig wird mit dieser Geschichte im Alten Testament die Auferstehung aus dem Grab von Jesus Christus vorweggenommen!

Khaled Omar Harrah war es, der das Baby wimmern hörte und weitergrub. Der Held von Aleppo, so nannte man den jungen Mann danach. Er schloss sich den WEISSHELMEN an, einer Organisation, die zwischen den Fronten unbewaffnet nur eines macht: den bombardierten und verletzten Menschen zu helfen. Dabei ist es ganz egal, ob es Bomben der russischen Armee, des Assad Regimes oder der Terrormiliz IS waren, die die Menschen getroffen und verletzt hatten. Täglich war Khaled Omar Harrah unterwegs, um den verletzten Menschen zu helfen. Aber selbst wenn sie verletzte Menschen in die noch funktionierenden wenigen Krankenhäuser brachten, konnte so vielen oft nicht mehr geholfen werden: in ganz Aleppo gibt es zur Zeit nur noch 15 Ärztinnen und Ärzte. So hart, wie es ist: sie müssen auswählen, wem sie noch helfen können durch ihre ärztliche Kunst. Mittwoch und Donnerstag früh wurden Menschen in Aleppo Opfer von Chlorgasbomben; abgeworfen durch die syrische Regierung. Schreckliche Atemnot besonders bei Kindern war die Folge. Khaled Omar Harrah war an beiden Tagen voll im Einsatz.

Donnerstagnachmittag konnte er am Mobilfon nicht mehr erreicht werden. Er war tot. Selber getroffen von einer tödlichen Bombe: Khaled Omar Harrah. Unbewaffnet, nur helfen, das Gute zu tun, Menschen retten, bis zur Erschöpfung: aus!

Es gibt ein modernes Ikonenbild, da wird Jesus selber dargestellt als der gute Samariter. Warum würde denn Jesus dieses Gleichnis erzählt haben, wenn nicht er selber ganz große Sympathie für den hätte, der da hilft, der sich von fremder Not anrühren lässt und nicht kalt woandershin schaut und vorübergeht.

Wir können uns fragen: was würde JESUS denn tun, in Syrien, im Bürgerkrieg?? Kämpfen? Nein, das ist sehr unwahrscheinlich! Jesus mit einem Maschinengewehr in der Hand? Nein. So ein Retter der Menschen könnte nicht der Sohn Gottes, der Sohn des Schöpfers sein! Jesus ein Politiker, der in harten Tagen und Nächten verhandelt, um einen Zugang der Menschen zu Trinkwasser und Nahrung zu erreichen, so, wie es ein Frank Walter Steinmeier gerade tut?? Das schon eher!

Auf jeden Fall dürfen wir annehmen, dass Jesus unbewaffnet wäre, wie Khaled Omar Harrah.
Und er würde vermutlich genau das tun, was Khaled Omar Harrah tat, in seinem kurzen, jungen Leben, das ein Leben für andere war, tat: den verletzten Menschen zu Hilfe kommen. Das macht das Leben dieses jungen Mannes so heilig: es war ein Leben der Liebe und der Hilfe, unbewaffnet, mitten im Krieg. Das macht ihn so Jesus-ähnlich. Er half den Menschen ihr schweres Schicksal zu tragen. Er trug mit ihr Kreuz. Der Held von Aleppo, Khaled Omar Harrah ist uns ein leuchtendes Beispiel der Liebe zu den Menschen. Er wird ganz sicher jetzt bei Gott sein, in seiner unmittelbaren Nähe. Ganz gleich, ob der Gott Jahweh, Allah oder Gottvater genannt wird, der EINE GOTT aller Menschen. Ob Khaled nun Christ war, oder Muslim, oder sonst etwas glaubte. Er ist der Held von Aleppo und geliebter Sohn Gottes, so, wie wir alle geliebte Töchter und Söhne Gottes heißen und sind. Amen.

Wolf Z. Schmidt S. J.

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